Mag. Dr. Bernhard Hofer
Kategorie: Statistik, Markt- & Meinungsforschung
Gründer der Public Opinion GmbH & Chefredakteur der "soziologie heute"

Mag. Dr. Bernhard Hofer

Seit 1995 bin ich geschäftsführender Gesellschafter der Public Opinion GmbH - einem Institut für Sozialforschung, das sich auf Marketing- und Kommunikationsberatung für Non-Profit Organisationen spezialisiert hat. Gemeinsam mit Claudia Pass und Alfred Rammer gebe ich auch seit 2008 ehrenamtlich das größte soziologische Fachmagazin im deutschsprachigen Raum heraus: die soziologie heute.

Wie haben Sie zur Soziologie gefunden?

Nach meiner Matura an der Handelsakademie Linz 1977 und der Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung beim Österreichischen Bundesheer stand für mich fest: Ich will studieren und – wenn möglich – dann Psychologie. In der Bibliothek des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) – ich engagierte mich damals in der Jugendarbeit und Flüchtlingsbetreuung – fiel mir eines Tages ein dünnes Heft mit dem Titel „Was ist Soziologie? Entwicklung, Problembewusstsein, Forschungsgebiete“ in die Hände. Nach der Lektüre war mir klar: das ist es! 

Es war die Soziologie, die es mir von da an angetan hatte, und die auch meinen späteren Werdegang, teils auf Umwegen, prägte. Das Studium dieser Wissenschaft von und für die Gesellschaft faszinierte mich, denn hier konnte ich verstehen lernen, wie gesellschaftliche Phänomene entstehen, verändern und prägen können, welcher Einfluss von Institutionen und Organisationen ausgeht und wie sich Menschen in ihrem jeweiligen Umfeld verhalten. 

Von 1978 bis 1982 studierte ich Soziologie, dann auch Sozialwirtschaft, an der Johannes-Kepler-Universität Linz und schloss mit dem Mag.rer.soc.oec. ab. Es folgte ein Einsatz bei den UNO-Truppen in Zypern und anschließend eine zweijährige Tätigkeit als Generalsekretär bei einem wehrpolitischen Verein. Im Lichte des damaligen sicherheitspolitischen Diskurses konnte ich hier meine soziologischen Kompetenzen auf vielfältige Art und Weise einbringen.

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Wie hat sich Ihre Karriere nach dem Studium entwickelt?

Da ein Auskommen mit dem damaligen Einkommen schwer zu finden war, beschloss ich, einen „bürgerlichen Beruf“ zu ergreifen und stieg als Verkaufsleiter in den Keramikgroßhandel ein. Es war eine völlig neue Welt, die sich mir auftat. Ich hatte zwar eine kaufmännische Ausbildung, doch mein Herz gehörte inzwischen der Soziologie. So dauerte es nicht lange, bis ich die ersten Kundenbefragungen in dieser Firma startete. Das hatte positive Auswirkungen auf die Umsätze.

Eine Headhunterin wurde auf mich aufmerksam, und 1990 landete ich bei Bertelsmann. Wieder ein neues Feld. Als Verkaufsleiter und Personaltrainer zuständig für den Direktvertrieb durfte ich viel dazulernen, konzentrierte mich auf Interviewtechniken, Körpersprache und Coaching. Es war eine spannende und herausfordernde Zeit, allerdings – und dies wurde mir zunehmend klarer – ich war fremdbestimmt. Im Herbst 1995 sprach mich ein alter Freund an und schlug mir vor, mit ihm eine Firma zu gründen. Das war die Geburtsstunde von Public Opinion, einer Marketing- und Kommunikationsberatung-GmbH. 

Welche Schwierigkeiten taten sich für Sie in der Selbständigkeit auf?

Der Weg in die Selbständigkeit war nicht leicht. Es dauerte eine Weile, um am Markt Fuß zu fassen. Mit Trainertätigkeiten bei diversen Erwachsenenbildungseinrichtungen fettete ich mein Einkommen auf. Eine Bildungseinrichtung suchte damals einen Krisenmanager; in der Folge übernahm ich dort auch die Geschäftsführung und drei Jahre später folgte eine weitere Geschäftsführung im Regionalmanagement. Drei parallele Geschäftsführertätigkeiten kann man jedoch nicht auf Dauer unter einen Hut bringen.

Als ich bemerken musste, dass die eigene Firma immer mehr ins Hintertreffen kam, entschloss ich mich 2007 zu einem Schnitt. Von da an konzentrierte ich mich ausschließlich auf Public Opinion und legte den Schwerpunkt auf sozialwissenschaftliche Studien und Projekte. Ich war wieder zurück im Herzen meiner Disziplin.

Rückblickend betrachtet sehe ich jedoch die Umwege als echte Bereicherung. Ich sammelte Erfahrungen im Bildungswesen, im Kultur- und Sozialbereich, vergrößerte mein Netzwerk und lernte den Faktor „Sozialkapital“ als wertvolle Ressource zu schätzen. Das alles kommt mir heute zu Nutzen – im Arbeitsleben und auch in der Freizeit.

Heute liegt der Schwerpunkt meiner Arbeit vor allem im NPO-Bereich. Der sogenannte „Dritte Sektor“  ist in allen Gesellschaftsbereichen anzutreffen. Es ist einfach spannend, das Verhältnis von Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen bzw. Freiwilligen zu analysieren, Organisationsstrukturen und Phänomene im Lichte des gesellschaftlichen Wandels zu hinterfragen. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Sicherheit. Viele Menschen fühlen sich heutzutage zunehmend verunsichert, suchen nach Orientierung und geben manchmal sehr leichtfertig Verantwortung ab.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?

Der (typische) Arbeitstag beginnt um 6 Uhr morgens beim Zeitungslesen und Nachrichtenhören. Spätestens um 8 Uhr sitze ich dann am Schreibtisch, checke Mails und arbeite an den diversen Projekten. Oft bin ich auch unterwegs bei Kunden und an manchen Abenden bei Vorträgen oder Empfängen. Circa eine Woche pro Monat ist für soziologie heute reserviert. Wenn ich mich bei meiner Arbeit mal so richtig ausgelaugt fühle, dann steh ich auf, geh in den Nachbarraum und versuche, Saxophon zu spielen – mein neues Hobby.

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Welche Fähigkeiten benötigt man in der Sozialforschung?

Wir sind eine kleine Firma und nützen die Vorteile, welche ein Netzwerk bieten kann. Wichtig ist allerdings, dass man in der Sozialforschung stets versucht, am Ball zu bleiben. Ein Literaturstudium kann hier helfen; wir haben den Vorteil, dass uns – schon wegen des Magazins soziologie heute – laufend interessante und neue Ideen ins Haus flattern. Ich denke, dass man – will man in diesem Bereich bestehen – eine ganze Reihe von Kompetenzen hegen und pflegen muss. Abgesehen von den fachlichen Kompetenzen bedarf es methodischer Kompetenzen wie z.B. das Führen und Anleiten anderer, das Präsentieren und Wissen vermitteln, aber auch soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Verantwortung übernehmen, die Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen, interkulturelle Kompetenz und natürlich – nicht zuletzt – personale Kompetenzen wie Selbstüberwindung, Zuverlässigkeit, Selbstmanagement oder Kreativität. Ein gutes Netzwerk kann hier auch viel helfen.

Wie hat sich die Arbeit in der Sozialforschung über die Jahre hinweg verändert?

Die Technik hat die Sozialforschung stets auf Trab gehalten. Waren es anfangs in der quantitativen Sozialforschung noch sog. Stricherllisten, dann Lochkarten und Disketten, so präsentiert sich die Welt heute mit PC, Handy, Tablet und dem damit verbundenen Internet in einem völlig anderen Bild. Das Internet der Dinge pocht bereits an die Eingangstür, die Datensicherheit ist in aller Munde, die zunehmende Zahl von Migrant*innen mit ihrer Kultur- und Sprachenvielfalt wirft neue Fragen bei den Messmethoden auf, Interviewer sehen sich manchmal auch einer neuen Rolle als Moderatoren gegenüber usf. Ich denke, gerade für Sozialforscher ist es wichtig, diese Entwicklung nicht zu verschlafen. Und Sozialforscher müssen sich ihrer Rolle als Beobachter, die gleichzeitig Teil der Beobachtung sind, vermehrt bewusst werden. 

Wie kamen Sie auf die Idee, ein soziologisches Fachmagazin heraus zu geben?

In der Zeit, in der ich meinen Fokus ganz auf meine Firma legte, lernte ich auch meine heutige Gattin kennen. Sie ist ebenfalls Soziologin – unseren Doktor machten wir beide fast wettbewerbsmäßig von 2001 bis 2002 – und fühlt sich der Profession tief verbunden. Zwischen 2003 und 2008 veröffentlichte ich zur Pflege unseres Netzwerkes eine kostenlose sozialwissenschaftliche Online-Zeitschrift, den Public Observer.

Als die Zahl der Abonnent*innen 2008 über 4600 anstieg und immer öfter die Anfrage kam, ob es so etwas auch als Printmedium gäbe, meinte meine Gattin: Na, probieren wir es einfach. Ausdauer hatten wir bewiesen, eine Community war vorhanden, und so starteten wir im Oktober 2008 mit der ersten Ausgabe von soziologie heute. Inzwischen ist es das größte soziologische Fachmagazin im deutschsprachigen Raum.

Ziel von soziologie heute ist es, nicht bei Problemen zu verharren, sondern diese als Herausforderungen anzunehmen, zu analysieren und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.  Das ist, denke ich, die vornehmste Aufgabe von Soziologinnen und Soziologen. Soziolog*innen dürfen nicht in ihrem Elfenbeinturm verharren, sondern haben die Pflicht, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen und – wenn sie es wollen – tun sie das ganz gut. 

Die Tätigkeit bei soziologie heute ist eine ehrenamtliche Tätigkeit, manchmal stressig, aber sie bringt auch viel Motivation und Freude mit sich. Ich würde dies für mich als lebenslanges Lernen bezeichnen.

Viele Printmedien kämpfen mit sinkenden Leserzahlen. Betrifft das auch die soziologie heute?

Wir arbeiten mit soziologie heute natürlich in einem Nischensegment. Es gibt bei weitem nicht so viele Soziologinnen und Soziologen wie Psychologie-Absolvent*innen. Wir haben von Anfang an gesagt, die Soziologie muss heraus aus ihrem Elfenbeinturm, Wissenschaft muss populär sein. Damit unterscheiden wir uns auch von allen anderen soziologischen Zeitschriften, die – was sicherlich innerhalb der wissenschaftlichen Community wichtig ist – in ihrer Ausrichtung ganz anders angelegt sind. Ich würde sagen, wir sind eine gute Ergänzung mit Breitenstreuung über die soziologische Community hinaus.  Bis dato gibt uns der Erfolg recht. Wir haben noch immer zahlreiche Abonnent*innen, die uns seit dem Start 2008 die Treue halten und neue kommen laufend hinzu. Allerdings bedarf es einer behutsamen Pflege der bestehenden Leserschaft und begleitender Werbemaßnahmen. Sagen wir mal so: es ist ein ehrenamtliches Langzeitprojekt.

Sie üben zahlreiche weitere ehrenamtliche Tätigkeiten aus. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?

Wir alle sind Teil der Gesellschaft. Wir leben in Beziehungen, in Gruppen, haben unterschiedliche Rollen, nehmen Teil am gesellschaftlichen Wandel usf. Ich möchte damit sagen, dass Soziologinnen und Soziologen schon aufgrund ihrer Ausbildung prädestiniert sind, sich in vielfältigen Bereichen einzubringen. Die vielfältige Präsenz von Soziologinnen und Soziologen in allen gesellschaftlichen Bereichen und die damit verbundenen Betrachtungsmöglichkeiten auf der Mikro-, Meso- und Makroebene sind es, welche die Soziologie gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche zur Leitwissenschaft prädestinieren. Kurz: als Soziologe tust du dir einfach leichter, wo anzudocken. Die Voraussetzung ist allerdings, dass du dir deine (professionelle) Neugier erhältst und sie mit anderen teilst. In diesem Austausch kommt auch vieles zurück und – ehrlich gesagt – schöpfen wir nicht alle Kraft aus der Gemeinschaft?

Was raten Sie jungen Menschen, die sich für ein Soziologie-Studium interessieren? 

Vor allem, nicht im eigenen Saft schmoren. Anders ausgedrückt: auch über den (universitären) Tellerrand hinausblicken, Dinge auszuprobieren, in verschiedenste Berufe reinzuschnuppern, sich für Sachen (auch freiwillig) engagieren, dabei jedoch stets den soziologischen Kontext im Handgepäck zu haben. Und nochmals: neugierig bleiben. Wir leben in einer spannenden Zeit voller gesellschaftlicher Umwälzungen. Das betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche. Da braucht es Menschen, die Fragen stellen, vor allem die richtigen Fragen und die Lösungsansätze präsentieren. Wer könnte dies besser, wenn nicht Soziologinnen und Soziologen?

Herzlichen Dank für das Interview!

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Veröffentlicht am: 10. Mai 2017