Simone Ines Lackerbauer
Kategorie: Bildung, Forschung & Lehre
Doktorandin an der Universität Augsburg

Simone Ines Lackerbauer

Seit Oktober 2015 forsche ich am Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Augsburg für meine Dissertation. Dort bin ich auch Mitglied der Graduiertenschule für Geistes- und Sozialwissenschaften (GGS). Außerdem arbeite ich freiberuflich kreativ in den Bereichen Online und Print: als Autorin, Ghostwriterin, Lektorin, Übersetzerin, Layouterin, Grafikerin, Illustratorin. Auf Anfrage halte ich auch Vorträge, hauptsächlich zu medienbezogenen Themen.

Wie haben Sie zur Soziologie gefunden?

Ich habe nach dem Abitur zunächst 2008 einen Bachelor of Arts in “Medien und Kommunikation” an der Universität Passau absolviert. Parallel dazu habe ich als freie Marketingassistentin für Online-Entertainment in einem Medienunternehmen, als freie Übersetzerin und Autorin in diesem und verwandten Bereichen gearbeitet. Soziologie war im interdisziplinären Bachelor nur eines von vielen Fächern. Meine Bachelorarbeit handelte von Identitätsbildung in virtuellen Welten - Sozialisation und Rollenspiel zwischen Medien-/Wissenssoziologie und Medienpädagogik. Insgesamt habe ich ab dem 6. Semester fast drei Jahre im Marketing und Produktmanagement für Online-Entertainment festangestellt gearbeitet, bevor es mich 2010 mit einem Graduiertenstipendium des DAAD für den Master of Arts nach Frankreich gezogen hat. 
 
An der Université Paris II Panthéon-Assas schloss ich dann zuerst 2011 eine Maîtrise in Information et communication ab, danach 2012 den Master 2 Recherche in Médias, langages et sociétés. Der Studiengang war ebenfalls interdisziplinär ausgelegt, Soziologie war wieder ein Fach von vielen - aber bei weitem das interessanteste. Geforscht habe ich zur Beziehung zwischen Fiktion und Realität in Science-Fiction-Jugendliteratur, zur Professionalisierung von Amateuren (z.B. Musiker), zur Darstellung des Klimawandels in den französischen Medien, zu Internet-Hackern und zur Entstehungsgeschichte der Cyberkultur. Dafür war ich 2011 auch zur Summer School an der Stanford University. Berührpunkte mit Spezialsoziologien gab in den Bereichen Medien, Information, Kommunikation, sowie mit der Soziologie sozialer Probleme. Obwohl alle Fächer spannend waren, hatte ich bei den soziologischen Themen stets den Eindruck, dass nicht nur an der Oberfläche gekratzt wird, sondern dass die Fragen tiefer in die Basis des menschlichen Miteinanders vordringen. Das fand ich spannend.
 
Zurück in Deutschland habe ich dann zunächst bis August 2014 als Produktmanagerin für Online-Entertainment in einem großen Medienkonzern gearbeitet, doch das war nur eine Zwischenstation.

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Wann und mit welcher Motivation haben Sie sich zu einer Promotion entschlossen?

Seit meiner Zeit in Frankreich wollte ich auf jeden Fall promovieren - allerdings wusste ich damals noch nicht, in welchem Fach. Fest stand nur, dass ich an meiner bisherigen Forschung anknüpfen wollte, die Promotion aber mit einem Vollzeitjob in der schnelllebigen und fordernden Medienranche nicht schaffen würde. Also musste eine Alternativlösung gefunden werden.
 
Da mich Fremdsprachen und redaktionelle Tätigkeiten immer schon begeistert haben, beschloss ich, 2014-2015 den ein Jahr dauernden Master of Arts Literarisches Übersetzen an der LMU in München zu absolvieren, um mich als Übersetzerin selbstständig zu machen und so meine Promotion zu finanzieren. Ich hatte zuvor zwar schon mein ganzes Berufsleben lang übersetzt, aber erstens habe ich im Master noch viel dazugelernt und zweitens öffnet einem das Masterzeugnis einfacher Türen zu interessanten Projekten.
 
Parallel dazu habe ich mich nach einem Betreuer für mein Promotionsvorhaben umgesehen und mir auch verschiedene Fächer angesehen, die Anknüpfungspunkte für meine Interessen - Medien und Internet, Cyberkultur, Science Fiction, Klimawandel - bieten könnten. Ich bin letztendlich bei den Science, Technology, and Society Studies (STS) gelandet und habe gesehen, dass die Soziologie dabei das größte Repertoire an theoretischen wie empirischen Möglichkeiten offeriert, um an diesen hochaktuellen Themen zu forschen. Mein Erstbetreuer hatte Interesse an meinem Forschungsvorhaben und so konnte ich ihn davon überzeugen, dass ich als Fast-Quereinsteigerin in Soziologie trotzdem soziologisch arbeiten will und kann. Ab diesem Zeitpunkt stand für mich auch fest, dass ich langfristig in Forschung und/oder Lehre bleiben will, also auch nach der Promotion wissenschaftlich arbeiten.
 
Im Oktober 2015 habe ich dann offiziell die Arbeit an meiner Dissertation als externe Promovierende am Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Augsburg aufgenommen und bin dort auch Mitglied der Graduiertenschule für Geistes- und Sozialwissenschaften (GGS), ein strukturiertes Promotionsprogramm mit interessanten Zusatzangeboten für Promovierende. 
 
Bis Ende Mai 2017 lautete der Arbeitstitel meines Themas: Eine Systematisierung des Internet-Hacking. In dieser Arbeit wollte ich eine Wesensschau des Hacking durchführen: Zunächst sollte es aus handlungstheoretischer Sicht erfasst werden, um danach zu analysieren, inwieweit Hacking ein Stören der sozialen Ordnung in welchen Bereichen darstellt.
 
Allerdings hat sich dann unverhofft eine Stelle in einem DFG-Projekt aufgetan, das sich mit Technikfolgenabschätzung, Umweltsoziologie und Diskursanalyse im Ländervergleich befasst - und ich bin für die Bearbeitung der französischen Fallstudien eingestellt worden. Das bedeutet zwar, dass sich das Thema meiner Dissertation nun ändern wird, da ich ab Beginn der Projektlaufzeit auch in dem DFG-Projekt promovieren werde. Doch meine Sprachkenntnisse und meine Erfahrungen im Bereich STS sowie Medienforschung kommen dabei optimal zum Einsatz und ich freue mich sehr über diese Chance.

Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?

Bislang sieht mein typischer Arbeitsalltag so aus, dass ich jeden Tag im Home Office an einem bis zwei meiner Projekte als Freiberuflerin arbeite - je nachdem, wie anspruchsvoll die Tätigkeit ist. Das Lektorat einer Masterarbeit oder ein Übersetzungsauftrag von einer Universität liegen auf einem ganz anderen Niveau als das Verfassen von PR-Texten, das Lektorat von Blogbeiträgen oder die Übersetzung von Strings einer Website. 
 
Die einzige Konstante ist ein Projekt im Bereich Community Management, denn hier bin ich für fixe Stunden eingeteilt. Den Rest kann ich mir - je nach Deadlines der Auftraggeber - frei einteilen. Ich achte darauf, nie mehr als zwei Projekte pro Tag zu bearbeiten, da das Umschalten im Kopf unnötigen Stress erzeugt. Fokussiert an einer Sache zu arbeiten liegt mir mehr. Es hängt natürlich auch von der Auftragslage ab. 
 
Da ich immer direkt mit meinen Kunden kommuniziere, entscheide ich in Abstimmung sehr selbstständig - dafür braucht es gegenseitiges Vertrauen und vor allem Zuverlässigkeit.

Wo liegen die Vor- und Nachteile der Arbeit an der Universität?

Ich erhielt zum Sommersemester 2016 meinen ersten Lehrauftrag an der Universität Augsburg und bin seitdem durchgehend Lehrbeauftragte am Lehrstuhl für Soziologie. Die Arbeit mit den Studierenden macht mir sehr viel Spaß und ich lerne selbst viel dabei. Vor allem die Seminare auf Englisch sind spannend, da wir grundlegende soziologische Themen aus einer US-amerikanischen Perspektive beleuchten und gleichzeitig den Fokus auf die Sprache legen. Die Studierenden halten Präsentationen und ich gebe ihnen eine Anleitung dafür mit an die Hand, weil ich im Rahmen meiner Festanstellungen selbst viel präsentiert habe.
 
Schwierig finde ich, dass ich nur einen kleinen Ausschnitt des Werdegangs der Studierenden sehe - nämlich genau dann, wenn sie in meinem Seminar sitzen. Vor jeder Sitzung frage ich mich auch, ob ich gute Trigger für eine spannende Diskussion mit dabei habe, man weiß nie, wie hoch die Beteiligung sein wird.
 
Da die Arbeit im DFG-Projekt noch nicht begonnen hat, kann ich nur sagen, worauf ich mich auf jeden Fall freue: auf die Balance zwischen wissenschaftlicher Arbeit im Team und in Eigenregie für die Dissertation. Der Projektplan gibt eine gute Struktur vor, an der ich mich langfristig orientieren kann. Das unterscheidet diese Tätigkeit von den Lehraufträgen und auch von meinen anderen Projekte, die mal nur einen Monat dauern, mal ein halbes Jahr.

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Woran arbeiten Sie parallel zu Ihrer Dissertation?

Derzeit arbeite ich noch freiberuflich kreativ in den Bereichen Online und Print: als Autorin, Ghostwriterin, Lektorin, Übersetzerin, Layouterin, Grafikerin, Illustratorin. Auf Anfrage halte ich auch Vorträge, hauptsächlich zu medienbezogenen Themen.
 
Ressourcenmanagement ist dabei der wichtigste Faktor - und mit Ressourcen meine ich sowohl Zeit als auch Energie bzw. Konzentration. Projektpläne und realistische Einschätzungen hinsichtlich des Aufwands im Verhältnis zum Verdienst spielen auch eine große Rolle: Ich nehme nicht jeden Auftrag an, dafür bin ich umso fokussierter bei allen, die ich bearbeite.
 
Das große Problem dabei ist, dass das Umschalten im Kopf von den Tätigkeiten in der freien Wirtschaft hin zum wissenschaftlichen Arbeiten sehr schwer ist. Ich muss mir bewusst Tage reservieren, an denen ich nur an der Dissertation arbeite. Das geht phasenweise sehr gut, phasenweise überhaupt nicht. Mein zukünftiger Projektleiter nannte das sehr treffend eine Schizophrenie im Kopf. Ich bin froh, dass ich mich in Zukunft nur noch auf das wissenschaftliche Arbeiten im Projekt mitsamt Dissertation konzentrieren kann. Ohne die Projektstelle hätte ich weitergemacht wie bisher, hätte dann aber statt der geplanten drei Jahre vermutlich vier oder fünf gebraucht.

Wie unterscheidet sich die Arbeit an der Uni zu Ihren anderen Tätigkeiten? 

Was mir an den nicht-wissenschaftlichen Tätigkeiten gefällt, ist das Einarbeiten in immer neue Aufgaben- und Themengebiete. Übersetzung ist zwar immer Übersetzung, aber es macht einen großen Unterschied, ob ich einen wissenschaftlichen Artikel, einen Website-Text, Nachrichten aus aller Welt oder Strings für ein Online-Game übersetze. Beim Lektorat und beim Verfassen von Texten verhält es sich ebenso.

Mit solchen Aufträgen reichere ich meinen Wissensvorrat zu allen möglichen Themen an - und setze dann meist unbewusst auch die soziologische Brille auf. So ähnlich wie der Arzt, dem bei Menschen auf der Straße sofort dieses oder jenes Leiden auffällt, oder wie der Fotograf, der überall Bildmotive sieht. Ich bin erst am Anfang, aber die Soziologie ist immer präsent, weil sie in allem steckt. Dieses Zitat von Peter L. Berger aus seiner Einladung zur Soziologie trifft es ziemlich gut: 

 

 “Unser Soziologe darf sich für alles Erdenkliche sonst interessieren. Aber das Interesse, das alle anderen in sich einschließt, gilt der Menschenwelt, ihren Einrichtungen, ihrer Geschichte, ihren Leidenschaften. Nichts, was Menschen treiben, ist ihm zu hoch oder zu gering, zu langweilig oder zu lästig. Er ist an den letzten Dingen interessiert, um die der menschliche Glaube kreist, an der Tragödie, der Größe, der Ekstase - aber auch am Alltag, am Gemeinplatz, am öden Einerlei.”

Im Bereich Wissen und Sprache interessiert mich außerdem sehr, wie man das Übersetzen als berufliche Tätigkeit aus soziologischer Sicht betrachten kann. Dazu würde ich gern nach der aktuellen Qualifikationsarbeit mehr forschen.

Ihre Karriere ist sehr vielfältig. Hat sich das zufällig ergeben, oder haben Sie sich bewusst immer wieder für etwas Neues entschieden?

Beide Wege haben Vor- und Nachteile. Eine lineare Karriere war bis zur Reife der “Generation Y” die Norm und ist es in vielen Bereichen auch heute noch. Die zerstückelten Berufsbiografien mancher Gen-Y-Geborener jedoch kommen daher, dass wir im Gegensatz zu den Generationen vor uns so viele Optionen haben. Manche von uns folgen dieser Dynamik und schlagen alle paar Jahre einen anderen Weg ein - einen kurvigen Weg anstatt einer geraden Linie. 
 
Generell habe ich mich immer dann für etwas Neues entschieden, wenn ich gemerkt habe, dass ich alle Optionen im Alten ausgeschöpft habe. Das trifft vor allem auf die Festanstellungen und längere freiberufliche Projekte zu, denn die Abschlüsse im Studium hatten von vornherein ein Datum. Ich suche die Abwechslung und die damit verbundenen Herausforderungen; ich sehe mich eher als eine Jane of all trades anstatt als Fachidiotin.
 
Das ist in vielen klassischen Branchen von Nachteil, weil es auf den ersten Blick nicht konsequent aussieht. In den jüngeren und schnelllebigeren wiederum ist es von Vorteil, dass man eine breite Basis an Wissen und Fähigkeiten mitbringt, die man je nach Tätigkeitsgebiet ausbauen kann. Durch die interdisziplinären Studiengänge war ich von vornherein breit aufgestellt, daher war es für mich auch logisch, dass ich in all diesen Bereichen in irgendeiner Form tätig sein möchte. Daher denke ich auch, dass meine vielfältigen Interessen einzig im wissenschaftliche Arbeiten - und im Speziellen in der Soziologie, die sich für alles in der Menschenwelt interessiert - wirklich gut aufgehoben sind.

Was raten Sie jungen Menschen, die sich für die Soziologie interessieren?

Studierende der oder Interessierte an Soziologie sollten die Einladung zur Soziologie von Peter L. Berger lesen, um zu verstehen, was Soziologie eigentlich ist und wie vielfältig sie in Theorie, Methoden und Empirie sein kann. Studierende und Promovierende in egal welchem Fach sollten über eine Mitgliedschaft in Forschungsgemeinschaften nachdenken und Mailinglisten aus ihrem Fachbereich abonnieren - für die Soziologie ist das z.B. die DGS mit ihren Sektionen. So erfährt man, welche Schwerpunkte gerade bei Publikationen oder Tagungen gesetzt werden - und damit wird die Theorie aus den Büchern ganz plötzlich lebendig.
 
Wer promovieren möchte, sollte sich darüber im Klaren sein, wie der Plan A aussieht: ob es danach wieder zurück (oder überhaupt zum ersten Mal) in die freie Wirtschaft gehen soll, oder ob eine wissenschaftliche Karriere angestrebt wird. In der Promotionsphase stellt man dafür die Weichen: mit dem Thema, mit der Finanzierung (Stelle an der Uni? Stipendium? Promovieren in einem Angestelltenverhältnis? usw.) und mit dem Netzwerk, das man sich aufbaut. Wer direkt vom Bachelor zum Master und dann zur Promotion übergeht, wird ohne Kontakte in die freie Wirtschaft schwerer dort Fuß fassen als jemand, der während der und zwischen den akademischen Phasen gearbeitet hat. Aus eigener Erfahrung und aus Beobachtungen würde ich sagen, dass man mit 30 wissen sollte, wohin der Weg langfristig geht und wie kurvig oder linear er sein soll.
 
Ich würde außerdem raten, sich schnell für Themengebiete zu entscheiden, die einen interessieren. Wenn Bachelorstudierende ihre Abschlussarbeit schreiben sollen, aber keinen Untersuchungsgegenstand haben - keine Frage, die zu beantworten sie wirklich interessiert - vergeuden sie unnötig Zeit und Energie. Gerade in der Soziologie kann man einen Schritt zurücktreten und reflektieren, was einen privat interessiert - und daraus dann das Thema für die Arbeit stricken.
 
Ansonsten gebe ich gerne noch als Ratschlag das weiter, was mein Erstbetreuer mir bei unserem ersten Gespräch gesagt hat: Lesen Sie so viel wie möglich - und fangen Sie bei den Klassikern an!

Vielen Dank für das Gespräch!

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Veröffentlicht am: 06. Juni 2017