Ingmar Mundt
Kategorie: Bildung, Forschung & Lehre
Zukunftsforscher am Frauenhofer Institut

Ingmar Mundt

Nach meinem Soziologe-Studium in Edinburgh habe ich eine Stelle als Juniorwissenschaftler am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin angenommen. Seit Anfang September bin ich nun als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung tätig.

Wie hast du zur Soziologie gefunden?

Ich habe einen langen Weg zur Soziologie hinter mir. Angefangen habe ich mit einem Studium des Wirtschaftsingenieurwesen, bin dann aber nach zwei Semester ziemlich schnell zur VWL gewechselt. In meiner damaligen Naivität dachte ich, ein Wirtschaftsstudium würde mir eine Erklärungshilfe geben, wie die Welt funktioniert, vor allem da Wirtschaft ja einen dominanten Einfluss auf Politik und Gesellschaft hat.

Ich habe zwar meinen Bachelor abgeschlossen, wusste aber schnell, dass die Erklärungen der Wirtschaftswissenschaften mich nicht zufrieden stellen. Mitgenommen habe ich aber das Interesse für die Zukunft und wie Menschen ihr handeln auf eine ungewisse Zukunft ausrichten.

Ich habe dann den damals neuen Masterstudiengang in Zukunftsforschung an der Freien Universität Berlin entdeckt und abgeschlossen. Zu der Zeit habe ich mich dann sehr viel mit soziologischen Theorien und Ansätzen beschäftigt und habe zum ersten Mal ein tiefergehendes Verständnis für die funktionsweise von Gesellschaften bekommen. Ich wollte das vertiefen und habe schließlich noch ein Masterstudium in Soziologe in Edinburgh abgeschlossen. In dieser Zeit habe ich mehr gelernt als in all meinen Studiengängen zuvor. Ich habe also einen langen, aber rückblickend für mich logischen Weg zur Soziologie.

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Wie ist dein bisheriger Berufsweg verlaufen?

Ich habe bereits während meines Studiums viel Erfahrung sammeln können. Als wissenschaftliche Hilfskraft und Tutor an der Universität, in der Politikberatung, in einem Start-up oder bei einem großen Solarkonzern – auch als Soziologe kann man schon rumkommen. Überall spielte die Zukunft eine hohe Bedeutung, so dass ich mich überall gut einbringen konnte.

Ich war aber schon immer vom wissenschaftlichen Arbeiten fasziniert, so dass ich schließlich erst als studentischer Mitarbeiter und nach meinem Studium dann als Juniorwissenschaftler am IZT arbeiten konnte. Es waren lehrreiche Jahre die meinen Horizont sehr stark erweitert haben. Aber das IZT ist ein kleines Institut und ich freue mich nun auf die neue Herausforderung am Fraunhofer ISI. Das wird noch mal eine ganz neue Dimension.

Was sind die Aufgaben des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung?

Das IZT ist ein gemeinnütziges Forschungsinstitut in Berlin und eines der ältesten Institutionen für Zukunftsforschung in Deutschland. Hier wird vor allem zu zukünftigen wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Trends im Rahmen einer Nachhaltigen Entwicklung geforscht. Die Zukunftsforschung versteht sich als Disziplin, die sich mit verschiedenen denkbaren, wünschenswerten oder plausiblen Zukunftsentwicklungen beschäftigt.

Es ist keine einfache Trendforschung, sondern versteht sich als systematisch und ganzheitlicher Ansatz. Es geht nicht darum die Zukunft exakt vorherzusehen, sondern Zukunftsvorstellungen sichtbar zu machen und sie in gegenwärtige erkennbare Entwicklungen einzuordnen. Sie zeigt Szenarien und Handlungsoptionen zur zukünftigen Entwicklung auf, schafft Raum für neue Denkmuster. Ein bekanntes Beispiel ist die Technikfolgenabschätzung, bei der man Chancen und Risiken einer Technologie versucht aufzuzeigen.

Wie läuft ein Projekt am IZT typischerweise ab?

Das IZT arbeitet vor allem für Auftraggeber öffentlicher Institutionen (z.B. Bundesministerien oder Bundesämter), aus der Wirtschaft oder für Stiftungen. Als ein ausschließlich durch Drittmittel gefördertes Institut ist es wichtig, ein breites Feld an Auftraggebern zu haben. Meine Projekte waren z.B. eine Szenariostudie für einen großen Automobilhersteller zum autonomen Fahren, das ist dann eine sehr praktische Studie.

Ein anderes schönes Projekt war eine Diskursanalyse und Weiterentwicklung des Konzepts der Nachhaltigkeit für das Umweltbundesamt. Die war dann eher theoretischer Natur. Welchen Einfluss diese Projekte haben lässt sich nur schwer abschätzen. Manche haben Einfluss auf die Strategien von Unternehmen und Institutionen, andere Studien sieht man manchmal nie wieder. Aber dann bleibt immerhin der Gewinn neuer Erkenntnisse.

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Was gefällt dir an deiner Arbeit am besten und wo liegen die Schwierigkeiten?

Die Verbindung von sozialwissenschaftlicher Theorie und Praxis. Es ist immer spannend vor einem theoretischen Problem zu stehen und es mit der Zeit zu lösen, es zu verstehen, neue Erkenntnisse zu bekommen. Ich mag es ein Forschungsprojekt erst theoretisch zu Rahmen und dann mit Daten zu füllen. Ich präsentiere die Ergebnisse aber auch gerne und stelle mich der öffentlichen Diskussion. Ich mag es, wenn man meine Arbeit kritisch hinterfragt.

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus? 

Sehr unterschiedlich. Manchmal konzipiere ich meine Arbeit, schreibe Texte, habe Telefonkonferenzen oder hänge in einer Recherche fest. Es gibt eigentlich kaum monotone Tage. Oft sitze ich auch im Zug auf dem Weg zu einem Termin. Das schöne ist, dass man meistens im Team arbeitet und zusammen ein Problem löst.

Gibt es einen Bezug zur Soziologie in deiner täglichen Arbeit?

Ich sehe die Welt natürlich immer durch die Augen eines Soziologen, mit all ihren Problemen, Entwicklungen und Herausforderungen. Das hat mich das Studium gelehrt. Es gibt keine einfachen Lösungen in einer höchst komplexen Welt und manchmal habe ich das Gefühl, dass sich vor allem Soziologen dieser Herkulesaufgabe stellen. All die verschiedenen Theorien und Erklärungsansätze wie die Welt funktioniert, das hilft mir sehr in meiner Arbeit. Ich habe aus dem Studium also zuallererst einen enormen Fundus an Wissen mitgenommen. Es gibt leider nach wie vor keine soziologische Theorie über die Zukunft, auch wenn ich versuche hier Lücken zu schließen. Es ist noch immer Pionierarbeit. Ich nehme also vorhandenes Wissen und muss es auf neue Fragestellungen neu anwenden.

Was rätst du Studierenden, die sich für eine Stelle in der Zukunfs- bzw. Innovationsforschung interessieren?

Die Lust auf Neues haben - egal ob es sich um technologische oder gesellschaftliche Veränderungen handelt. Sich mit der Zukunft zu beschäftigen ist Soziologie in Reinform, denn es beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Gesellschaften verändern. Doch während die klassische Soziologie eher zurückblickt, schaut ein soziologischer Zukunftsforscher nach vorn.

Man wird so zwar nicht die Zukunft vorhersagen, aber man wird doch ein Verständnis dafür entwickeln, wie Wandel funktioniert, wie sich neue Ideen durchsetzen können und welche Herausforderungen auf die Gesellschaften warten. Zukunft ist immer, es wird also nie langweilig.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Veröffentlicht am: 04. September 2017