Katharina Petzold
Kategorie: Öffentliche Verwaltung
Entscheiderin in Asylverfahren beim BAMF

Katharina Petzold

Katharina Petzold arbeitet seit 2018 als Entscheiderin in Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). 

Aus welchen Gründen hast du dich zu einem Soziologie-Studium entschlossen?

Bis kurz vor dem Abitur hatte ich die verschiedensten Berufswünsche: Von Tiermedizin über Lehramt bis hin zum Sportjournalismus war fast jeder Bereich mal abgedeckt. Dann habe ich durch Zufall das ZEIT Magazin in die Hand gedrückt bekommen, in dem verschiedene Studiengänge beschrieben und Universitäten gerankt wurden. Bei Soziologie war dort in etwa zu lesen: “Wenn Dich interessiert, was Menschen sich morgens aufs Butterbrot schmieren, bist Du hier richtig aufgehoben.”

Da ich von Natur aus ein wissbegieriger Mensch bin, fand diese Aussage bei mir direkt Anklang. Also warf ich prompt alle meine anderen Ideen über Bord und bewarb mich an verschiedenen Unis auf den Studiengang Soziologie. Zuerst lag mein Fokus noch darauf, irgendwann mal in einem Meinungsforschungsinstitut arbeiten zu können. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) in Paraguay, das ich zwischen Abitur und Studium absolvierte, änderten sich meine Ziele dann. Ab diesem Zeitpunkt schwebte es mir vor, eine Tätigkeit in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit oder Integration zu finden.

Wo hast du studiert und wie verlief dein Studium? 

Mein Bachelorstudium habe ich an der Albert-Ludwigs-Universität im schönen Freiburg im Breisgau absolviert. Dort bestand mein Studium aus einer Haupt-/Nebenfachs-Kombination, für die ich Soziologie und Islamwissenschaften auswählte. Meinen Master habe ich im Anschluss dann an der Universität Bielefeld gemacht - einfach, weil man dort unfassbar viele Möglichkeiten hatte, sich seinen ganz eigenen Studienschwerpunkt zusammenzubasteln. Meiner lag vor allem auf den Modulen Politische Soziologie sowie Soziologie der globalen Welt.

Hast du Praktika absolviert?

Praktika habe ich während des Studiums wenige absolviert: Eines beim Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) in Bonn und das andere bei der Nichtregierungsorganisation TECHO in Paraguay. Danach habe ich mich auch von Deutschland aus sehr stark für TECHO engagiert und gemeinsam mit anderen jungen Leuten einen gemeinnützigen Verein aufgebaut, der die Projekte der Organisation in Lateinamerika unterstützt. Dieses Engagement fraß phasenweise sehr viel Zeit auf, sodass ich meine Energie darauf beschränkte und keine weiteren Praktika machte.

Wie lief dein Berufseinstieg ab?

Nach dem Studium habe ich dann aus Zufall meinen Weg ins Institut der deutschen Wirtschaft in Köln gefunden. Dort war ich gut zwei Jahre als Assistenz tätig und habe viele Einblicke in die wissenschaftliche Arbeit in den Bereichen Migration sowie Integration von Geflüchteten erhalten. Da passte es gut, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Anfang 2018 nach künftigen Entscheider*innen in Asylverfahren suchte. Nachdem sich das Bundesamt im Auswahlverfahren unter anderem für mich entschieden hatte, musste ich zunächst eine interne dreimonatige Ausbildung absolvieren. Danach begann ich meine Entscheidertätigkeit.

Was genau sind deine Aufgaben als Entscheiderin in Asylverfahren?

Als Entscheiderin führe ich mit den antragstellenden Asylbewerber*innen zunächst eine Anhörung durch, die diesen ermöglicht, mir ihre Fluchtgründe sowie ihre konkrete individuelle Situation in ihrem Heimatland näherzubringen. Anschließend schreibe ich, nachdem ich anhand der Anhörung sowie den mir zur Verfügung stehenden Informationen zu einer Entscheidung gekommen bin, den Asylbescheid. Der wird im Vier-Augen-Prinzip zwar vor Versand kontrolliert, die abschließende Verantwortung für den Bescheid liegt jedoch bei mir.

Darüber hinaus habe ich auch Sonderaufgaben. Zum Beispiel prüfe ich den Aktenbestand meiner Dienststelle dahingehend, ob in bestimmten Fällen bereits eine Entscheidung möglich ist oder ob noch weitere Details zu klären sind. Damit sollen die Verfahren nicht nur vollständig und korrekt, sondern dabei auch möglichst schnell beendet werden können, sodass die Antragstellenden nicht länger als unbedingt notwendig auf ihren Bescheid warten müssen.

Wie wurdest du für diesen Job angelernt? Welche Qualifikationen haben dir gefehlt und welches Wissen musstest du dir zusätzlich aneignen? 

Ich hatte das Glück, zu einem Zeitpunkt ins Bundesamt zu kommen, als die größten Herausforderungen der „Flüchtlingskrise 2015/16“ bereits bewältigt worden waren. So wurde ich etwa einen Monat nach meinem Dienstbeginn in der Außenstelle zunächst für eine insgesamt elfwöchige Schulung nach Nürnberg geschickt, wo das Bundesamt ein Qualifizierungszentrum betreibt. Dort wurde ich gemeinsam mit anderen Mitarbeitenden ausführlich und sehr akribisch geschult. Natürlich lernt man viele Dinge im Berufsleben nach dem Prinzip “learning by doing”, besonders in Zusammenarbeit mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen. Die Schulung gab uns aber gute und wichtige Grundlagen mit auf den Weg, die uns das Einarbeiten an der Außenstelle wesentlich erleichterten.

Was gefällt dir an deiner Arbeit besonders gut? Was nicht so? 

Mir gefällt an meiner Arbeit, dass ich nicht bloß hinter meinem Schreibtisch sitze oder ausschließlich anhand von im PC aufgerufenen Daten arbeite und Entscheidungen treffe. Ich habe die Möglichkeit, im Rahmen von Anhörungen Menschen persönlich kennenzulernen, die aus den verschiedensten Gründen hier nach Deutschland gekommen sind. Ich halte es für eine wichtige Tätigkeit, den Menschen, die darauf angewiesen sind, hier den für sie notwendigen Schutz bieten zu können.

Gleichzeitig ist es natürlich nicht immer einfach, sich die Lebensgeschichten der Antragsteller*innen anzuhören, insbesondere, wenn sie körperliche und seelische Verletzungen davongetragen haben. Es ist daher schwierig, einen Antrag auf Asyl manchmal ablehnen zu müssen, obwohl die vorgetragene Geschichte an sich tragisch ist. In solchen Situationen hilft es, sich mit erfahrenen Kolleg*innen auszutauschen oder in besonders schwierigen Fällen auch eine Supervision in Anspruch zu nehmen.

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?

In der Regel habe ich an zwei bis vier Tagen pro Woche Anhörungen. An den übrigen Tagen bin ich mit Nachbereitungen und dem Erstellen von Bescheiden beschäftigt.
An Anhörungstagen komme ich gegen Viertel vor acht ins Büro, bereite alles Notwendige vor, hole den oder die Sprachmittler*in und beginne dann direkt mit der Anhörung. An anderen Tagen komme ich meistens ein bisschen später im Büro an und bearbeite die gerade anstehenden Aufgaben.

Was unterscheidet die Arbeit beim BAMF von anderen Arbeitgebern?  

Ich denke, dass die Tätigkeit im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sich vor allem dadurch auszeichnet, dass hier zwar einerseits das typisch bürokratische Arbeiten in einer Behörde, andererseits jedoch besonders der individuelle und empathische Umgang mit Menschen verschiedener Kulturkreise zusammenkommen.
Natürlich ist es die primäre Aufgabe des BAMF, Asylverfahren möglichst effizient durchführen. Wobei effizient nicht bedeutet, dass es nur um Geschwindigkeit geht – im Gegenteil: Qualität steht hier eindeutig vor Quantität. Jedoch ist es weder für die deutsche Aufnahmegesellschaft noch für die Asylbewerber*innen selbst gut, wenn letztere zu lange im Ungewissen und ohne feste Aufenthaltstitel in den staatlichen Erstaufnahmeeinrichtungen leben müssen.

Dennoch ist es wichtig, dass jedes Asylverfahren gewissenhaft bearbeitet wird. Uns Mitarbeitenden muss immer klar sein, dass wir Entscheidungen treffen, die die Lebenswege anderer Menschen wesentlich beeinflussen. Das ist eine große Verantwortung, die wir nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfen.

Wieso bist du als Soziologin so gut für den Job geeignet?

Im Studium habe ich vor allem eines gelernt: Gesellschaftliches Zusammenleben zu beobachten, objektiv zu analysieren und mir nicht vorschnell eine Meinung darüber zu bilden, was auf den ersten Blick eindeutig erscheint.

Als Entscheiderin hilft es mir sehr dabei, mich immer wieder aufs Neue auf die Lebensgeschichten der unterschiedlichen Asylantragsteller*innen zu konzentrieren. Ich lerne bei jeder Anhörung etwas Neues über Menschen, Kulturkreise und Gesellschaften. Dabei bleibe ich in der Regel zunächst unvoreingenommen und treffe Entscheidungen über die mir anvertrauten Asylverfahren immer erst mit genügend zeitlichem Abstand zur Anhörung sowie nach Auswertung aller mir vorliegender Quellen.
Ich denke daher, dass ich aufgrund meiner erlernten Kompetenzen als Soziologin sehr gut dafür geeignet bin, objektiv, fair und menschlich die tatsächlichen Lebenssituationen der Asylantragsteller*innen in ihren jeweiligen Herkunftsländern zu betrachten und daraufhin zur Entscheidung zu kommen.

Die deutsche Asylpolitik wird häufig kritisiert. Merkst du das auch in deinem Job? 

Als Privatperson bekomme ich in Familie und Freundeskreis natürlich mit, dass die deutsche Asylpolitik durchaus kritisch betrachtet wird. Auch ich selbst sehe das Asylsystem nicht uneingeschränkt positiv und denke, dass es immer auch Verbesserungen geben kann. Da ist das Asylsystem nur ein Bereich von vielen, die das betrifft.

Auf der Arbeit mache ich meinen Job so, wie es mir Gesetz und Dienstanweisung vorschreiben und achte dabei darauf, den Asylantragsteller*innen ein faires und angenehmes Verfahren zu ermöglichen. Da wir hier in einem Rechtsstaat leben und arbeiten, ergibt sich diese Herangehensweise schon allein aus den mir vorliegenden Vorschriften. Aber auch persönlich ist es mir ein großes Anliegen, stets die menschliche Ebene zu wahren. Bislang habe ich auf diese Weise noch keine prägenden negativen Erfahrungen gesammelt, bei denen ich wegen meiner Arbeit angegangen oder kritisiert worden wäre.

Sicher sind einige Entscheidungen sehr schwer zu treffen. Wie gehst du damit um und welche Hilfen gibt es vom BAMF dabei? 

Gelegentlich kommt es vor, dass ich Anhörungen durchführe, in denen eine sehr schmerzhafte Lebensgeschichte vorgetragen wird. Es ist nicht immer einfach, in so einer Situation die eigenen Emotionen auszublenden. Ich bemühe mich dann dennoch, professionell zu bleiben, wobei dies nicht ausschließt, Mitgefühl zu zeigen. 

Im Anschluss an solche Anhörungen suche ich in der Regel das Gespräch mit meinen Kolleg*innen. Theoretisch ist es auch möglich, eine Supervision zu bekommen. Letztlich hilft mir aber meistens der direkte und unmittelbare Austausch mit den Leuten, mit denen ich täglich zusammenarbeite, am meisten, um das Gehörte zu verarbeiten.

Was empfiehlst du Studierenden, die sich für einen Job als Entscheider*innen beim BAMF interessieren?

Um beim Bundesamt zu arbeiten, ist es hilfreich, wenn man sich für die Themen Migration und Integration interessiert und das Kennenlernen anderer Kulturkreise und Lebensentwürfe als Bereicherung empfindet. Darauf kann man bereits im Studium hinarbeiten.

Das BAMF hat verschiedene Abteilungen, in denen man auch anderen Tätigkeiten nachgehen kann. Zum Beispiel gibt es den Forschungs- oder den Integrationsbereich, in denen der Fokus auf anderen Dingen liegt als bei uns Entscheider*innen. Außerdem haben wir eine Abteilung, die sich um internationale Zusammenarbeit und Projekte kümmert, sowie einen Fachbereich, der Menschen unterstützt, die freiwillig in ihre Herkunftsländer zurückkehren wollen. Es ist durchaus möglich und wird oft praktiziert, dass Mitarbeitende von einem in den anderen Bereich wechseln, um so verschiedene Tätigkeitsfelder kennenzulernen und herauszufinden, welche von diesen am besten zu ihnen passt.

Es lohnt sich daher, regelmäßig nach Stellenausschreibungen des BAMF Ausschau zu halten, da mit Sicherheit für viele Bewerbende eine Ausschreibung dabei, die den eigenen Erwartungen entspricht.


Vielen Dank für das Gespräch!
 

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Veröffentlicht am: 25. Oktober 2021