Dr. Annette von Alemann
Foto: Valéry Kloubert
Kategorie: Bildung, Forschung & Lehre
Akademische Oberrätin an der Universität Paderborn

Dr. Annette von Alemann

Nach meinem Soziologie-Studium in Argentinien, Köln und Halle/Saale habe ich zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen Arbeitsgruppen und Projekten in Berlin, Bielefeld und Köln gearbeitet. Im Sommersemester dieses Jahres war ich als Gastprofessorin für Allgemeine Soziologie an der Universität Paderborn tätig und habe dort seit Oktober eine Stelle als akademische Oberrätin inne.

Wie ist Ihr Studium verlaufen?

Studiert habe ich in Mendoza (Argentinien), Köln und Halle/Saale. Neben meinen Magisterfächern Soziologie, Völkerkunde und Spanisch habe ich auch Lehrveranstaltungen in Germanistik, Rechts- und Kommunikationswissenschaften belegt. Seit meinem Studienaufenthalt in Argentinien interessiere ich mich dafür, wie Gesellschaften „funktionieren“ und wie sie sich voneinander unterscheiden. Dieses Interesse hat mich während meines Studiums nach Ostdeutschland geführt . Ich wollte wissen, ob sich die Gesellschaften in West- und Ostdeutschland angleichen und welche Unterschiede im alltäglichen Leben bestehen. Deshalb habe ich ein Semester in Halle/Saale studiert und auch ein Seminar in Leipzig belegt. 

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Wie sind Sie zu Ihrer Stelle an der Universität Paderborn gekommen?

Nach meinem Studium arbeitete ich zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) im Projekt „Wirtschaftseliten zwischen Konkurrenzdruck und gesellschaftlicher Verantwortung“ und an der Uni Bielefeld in der Koordinationsstelle des Forschungsverbundes „Desintegrationsprozesse – Integrationspotenziale einer modernen Gesellschaft“.

Danach wechselte ich in die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Mechtild Oechsle an der Bielefelder Fakultät für Soziologie. Dort hielt ich Lehrveranstaltungen und arbeitete in Forschungsprojekten wie dem Projekt „Arbeitsorganisationen und väterliche Lebensführung“ im Sonderforschungsbereich „Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten“. Ich arbeitete auch in den Gremien der Fakultät mit, z.B. in einer Arbeitsgruppe, die den MA-Studiengang Gender Studies entwickelt hat. 

Nach meiner Zeit an der Uni Bielefeld wechselte ich an die Universität zu Köln zur interdisziplinären „Zukunftsstrategie Lehrer*innenbildung“, wo ich bis März dieses Jahres das Teilprojekt „Nachwuchsförderung“ koordiniert habe. In dieser Zukunftsstrategie werden innovative Lern- und Lehrformen für die Lehrer*innenausbildung entwickelt, z.B. in meinem Teilprojekt Forschungsklassen für Lehramtsstudierende sowie Angebote für abgeordnete Lehrkräfte und Postdoktorand*innen mit Lehramtsbezug.

Anfang dieses Jahres erhielt ich von der Uni Paderborn das Angebot, für ein Semester als Gastprofessorin Allgemeine Soziologie zu lehren. Da die Uni Köln mir dankenswerterweise für ein Semester Sonderurlaub erteilt hat, habe ich das Sommersemester an der Uni Paderborn verbracht. Danach bin ich auf eine Stelle als Akademische Oberrätin auf Zeit an der Uni Paderborn gewechselt. 

Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte?

Schon während meines Studiums habe ich mich für Geschlechterforschung interessiert. Dieses Interesse prägt meine wissenschaftliche Arbeit bis heute. Während meiner Promotion an der Universität Bielefeld zum Thema Deutungsmuster von Führungskräften der deutschen Wirtschaft kamen weitere Arbeitsfelder in den Bereichen Wirtschafts- und Organisationssoziologie und soziale Ungleichheit hinzu. Für meine Dissertation habe ich übrigens den Bielefelder Gleichstellungspreis für innovative Abschlussarbeiten in der Geschlechterforschung erhalten.

Ein weiteres Forschungsfeld, das diese Bereiche miteinander verbindet, ist die Gleichstellung von Frauen und Männern. Mein Interesse reicht von der politischen und gesetzlichen Gleichstellung bis hin zu familienfreundlichen Maßnahmen und Diversity Management in Unternehmen. Neben den Maßnahmen selbst interessieren mich die mit ihnen verbundenen Konzepte und die Art und Weise, wie über sie gesprochen wird (und wie sie öffentlich dargestellt werden).

Im Bereich der sozialen Ungleichheit konzentriere ich mich auf soziale Ungleichheiten in Organisationen – das reicht von Arbeitsorganisationen wie Unternehmen und Behörden bis hin zu Bildungsorganisationen (z.B. Schulen, Hochschulen). Ich gehe davon aus, dass verschiedene soziale Ungleichheiten miteinander verflochten sind (im Fachjargon sprechen wir von Intersektionalität). Das bedeutet: Man kann Ungleichheiten nicht isoliert untersuchen, sondern muss sie in Verbindung mit anderen Unterschieden wahrnehmen, Geschlechterungleichheit z.B. in Verbindung mit sozialer und/oder ethnischer Herkunft, körperlichen Merkmalen, Sorgeverpflichtungen usw.

Und: Ungleichheit bezieht sich nicht nur auf materielle Benachteiligungen bzw. Privilegierungen, sondern auch auf Ungleichheit im Hinblick auf die Verwirklichung wichtiger Lebensziele, z.B. im Bereich der Work-Life Balance und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag als Akademische Oberrätin an der Uni Paderborn aus?

Ich habe ähnliche Aufgaben wie eine Professorin: Ich halte Lehrveranstaltungen, arbeite mit in Hochschulgremien, nehme Prüfungen ab und berate Studierende, beteilige mich an Tagungen, halte Vorträge und arbeite an Veröffentlichungen. Dabei ist kein Tag wie der andere. Vor allem unterscheiden sich die Vorlesungszeit und die vorlesungsfreie Zeit.

In der Vorlesungszeit nehmen die Lehrveranstaltungen einschließlich Vor- und Nachbereitung großen Raum ein, in der vorlesungsfreien Zeit kann ich mir meine Zeit freier einteilen. Dann stehen Korrekturen und die Planung der neuen Lehrveranstaltungen an, und ich komme zum Schreiben von Aufsätzen und mache mir Gedanken über neue Forschungsprojekte.

Tagungen finden sowohl in der Vorlesungs- und der vorlesungsfreien Zeit statt, im Semester ist es allerdings schwieriger, sie mit den Lehrveranstaltungen zu koordinieren. Probleme macht vor allem die Arbeitsorganisation an den durchgetakteten Tagen im Semester: Der Rhythmus der Lehrveranstaltungen bestimmt die zeitlichen Freiräume für andere Aufgaben.

Aber die Lehre macht mir viel Spaß. Ich finde es prima, Studierenden soziologische Zusammenhänge zu erklären und sie für die vielen Themen unseres Fachs zu begeistern. Spaß macht es mir allerdings auch, in Vorträgen über Forschungsergebnisse zu berichten und mit Fachkolleg*innen darüber zu diskutieren, und über meine Forschung in wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu schreiben. Für mich ist wissenschaftliche Arbeit ein ständiger Austausch: mit Kolleg*innen und Studierenden, bei Vorträgen und auf Tagungen, und schriftlich in Form von Publikationen.

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Die meisten wissenschaftlichen Laufbahnen sind heute von befristeten Verträgen und häufigen Wohnortswechseln geprägt. Wie sehen Sie diese Entwicklung und was bedeutet sie für die Forschung?

Ich bin selbst zwölf Jahre lang zwischen Köln und Bielefeld gependelt – auch das WZB-Projekt wurde überwiegend in Bielefeld durchgeführt – und pendle seit April dieses Jahres zwischen Köln und Paderborn. 

Viele meiner Kolleg*innen leben ein ähnliches Leben wie ich und berichten über ähnliche Belastungen. Empirische Untersuchungen zeigen negative Folgen für Privatleben, Beziehung und Gesundheit von Pendler*innen auf – und damit langfristig auch für die Arbeitsproduktivität. Bei meinen Kolleg*innen aus der Wissenschaft stelle ich allerdings fest, dass sie trotz dieser Belastungen sehr produktiv sind. Wissenschaft ist ein Beruf, der von vielen mit großer persönlicher Begeisterung und einem hohen Arbeitseinsatz gelebt wird.

Meine Kolleg*innen und ich versuchen unser Leben um das Pendeln herum zu organisieren, indem wir z.B. die Zugfahrten zum Lesen nutzen und an den unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsorten unterschiedliche Aufgaben erledigen. 

Problematisch finde ich die große berufliche Unsicherheit durch die befristeten Arbeitsverträge in allen Beschäftigungsstufen unterhalb der Professur. Das führt zu einer hohen persönlichen Unsicherheit, was die Lebensplanung betrifft. Ich kenne viele Kolleg*innen, die am Ende dazu nicht mehr bereit waren und ins Wissenschaftsmanagement oder in andere Berufe gewechselt sind.

Diejenigen, die dabei bleiben, verzichten oft jahrelang auf materielle Lebensziele, z.B. ein eigenes Haus, manche auch auf ein Auto. Und viele von ihnen verzichten auf Kinder oder warten so lange, bis es zu spät ist. 

Aus meiner Sicht führen die unsicheren wissenschaftlichen Berufswege tatsächlich zu Einbußen in der wissenschaftlichen Produktivität. Produktivität braucht Zeit, um sich entfalten zu können. Stattdessen vergeht viel Zeit mit Arbeitssuche, Bewerbungen und Anträgen für neue Forschungsprojekte. Auch ich lese regelmäßig die Stellenanzeigen in der ZEIT und informiere mich über Möglichkeiten der Forschungsförderung. 

Bei einigen meiner Kolleg*innen führt der zunehmende Wettbewerb dazu, dass sie den offenen Austausch mit Fachkolleg*innen reduziert haben; einige berichten auch über Fälle von Ideenklau. Ich selbst versuche, mich davon nicht abhalten zu lassen, und habe einige sehr gute Kooperationsbeziehungen mit Kolleg*innen aus Deutschland und auch anderen Ländern. Und ich denke, dass der Wettbewerb in der Soziologie noch nicht so extreme Formen angenommen hat wie in vielen Naturwissenschaften, so dass Kooperationen und offener Austausch hier noch eher möglich sind.

Sie haben sich schon früh mit dem Thema Soziologie und Beratung beschäftigt. Was macht Soziolog*innen zu guten Beratern?

Das Besondere an Soziolog*innen ist ihre Perspektive, die nicht nur den Rat suchenden Menschen oder die beratene Organisation im Blick hat, sondern Person oder Organisation immer im Zusammenhang mit anderen Personen, Organisationen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen sieht. Dieser soziologische Blick ist wie ein Film, der im Hintergrund mitläuft, und führt in der Beratung zu wichtigen Erkenntnissen.

Eine neue Bürotechnologie hat im Unternehmen z.B. nicht nur technische Folgen, sondern auch Folgen für die betroffenen Mitarbeiter*innen, die sie begeistert benutzen – oder auch nicht. Oder: Bei der Berufswahl spielen nicht nur persönliche Neigungen eine Rolle, sondern auch Berufsaussichten, geschlechts- und schichtspezifische Berufswahl, persönliche Netzwerke und Gelegenheitsstrukturen. Dies führt beispielsweise zur „Vererbung“ von Berufen (z.B. Ärzt*innen, Jurist*innen) und dazu, dass Abiturient*innen aus nicht-akademischen Elternhäusern seltener ein Studium anstreben als Kinder von Akademiker*innen.

Außerdem haben Soziolog*innen gelernt, Selbstverständliches in Frage zu stellen. Sie hinterfragen Regeln und Traditionen, weil sie wissen, dass diese von Menschen gemacht wurden und sich von Menschen verändern lassen. Soziolog*innen sind in der Lage, einen Blick hinter die Kulissen von offiziellen Verlautbarungen und (Selbst-)Darstellungen zu werfen. Sie haben gelernt, Informationen zu hinterfragen, (Selbst-)Darstellungen als bewusste Botschaften zu interpretieren und Alltagsverhalten systematisch zu beobachten. So kommen sie beispielsweise versteckten Regeln im Unternehmen auf die Spur, die Mitarbeiter*innen davon abhalten, die angebotenen (und kostspielig zertifizierten) Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu nutzen (oder überhaupt erst danach zu fragen). 

Soziolog*innen bringen durch ihr Studium viele Fähigkeiten mit, die sie ganz praktisch in der Beratung nutzen können: Fragetechniken und Techniken der Gesprächsführung, Recherchestrategien, Statistikkenntnisse, Strategien der Beobachtung und Interpretation von Arbeitsvollzügen, Techniken der Datenauswertung, Schreiben von Projektberichten und Konzepten. Und sie bringen soziologisches Fachwissen mit, das ihnen als Hintergrundwissen in der Beratung dienen kann: Wissen über Organisationen, politische Prozesse, soziale Bewegungen, Berufe, Verhalten von Gruppen und vieles mehr.

In den meisten Beratungsfeldern ist es allerdings sinnvoll, sich Zusatzwissen anzueignen: beispielsweise eine psychologische Zusatzausbildung in klient*innenzentrierten Beratungsfeldern oder wirtschafts-, politik- oder rechtswissenschaftliches Wissen in der Beratung von Organisationen und der Politik. In einigen Beratungsfeldern spielt auch technisches und/oder naturwissenschaftliches Wissen eine Rolle. Aus meiner Sicht ist aber das Soziologiestudium auf Grund seiner Vielseitigkeit eine gute Grundlage, um sich solches Wissen gezielt anzueignen.

Weshalb haben Sie sich selbst gegen eine Karriere als Beraterin entschieden? 

Nach meiner Untersuchung über Soziolog*innen in Beratungsberufen habe ich mich tatsächlich mit unterschiedlichen Beratungsformen und ihrer praktischen Anwendung beschäftigt und konnte mir vorstellen, selbst Beraterin zu werden. Letztlich fand ich die Wissenschaft aber zu spannend, um hauptberuflich zu beraten.

Ich habe dann gezielt nach Forschungsprojekten im Bereich der Wirtschafts- und Organisationssoziologie gesucht, die mir eine Grundlage dafür geben, neben meiner Tätigkeit an der Universität wissenschaftlich zu beraten. Daraus ergaben sich z.B. Beratungsprojekte zur sozialen Verantwortung von Unternehmen und zur Implementierung von Frauenquoten sowie eine Vielzahl von Vorträgen und Workshops für Unternehmen und Verbände zum Thema „Frauen in Führungspositionen“. 

Die Soziologie wird oft als ein reines Frauengebiet gesehen. Sehen Sie Geschlechterdifferenzen im oder nach dem Studium?

Das ist interessant! In meinem Studium waren wir etwa gleich viele Soziologie-Studentinnen und -Studenten. Eine Generation früher war Soziologie noch ein reines „Männerfach“, und die „Klassiker“ der Soziologie sind ausschließlich Männer. Das hat sich zum Glück inzwischen geändert!

Allgemein zeigen die Untersuchungen aus der Geschlechter- und Organisationsforschung, dass Berufe mit einem hohen Frauenanteil durchschnittlich geringer entlohnt werden und schlechtere Arbeitsbedingungen haben. Wenn die Soziologie sich zu einem „Frauenfach“ entwickeln sollte, würde das wahrscheinlich dazu führen, dass Stellen für Soziolog*innen geringer entlohnt werden würden.

Die Soziologie war immer ein Fach mit vielfältigen und auch angemessen bezahlten Beschäftigungsmöglichkeiten für Absolvent*innen, aber wenigen Stellen, die sich speziell an Soziolog*innen richteten. Wahrscheinlich würde der Arbeitsmarkt unsicherer und die Stellen prekärer, wenn sich die Soziologie zum „Frauenfach“ entwickeln würde – ähnlich wie der Arbeitsmarkt für Historiker*innen oder Ethnolog*innen. 

Wenn Soziolog*innen in der Wissenschaft bleiben, erleben sie schon jetzt ein Phänomen, das für die meisten Disziplinen typisch ist: Je höher und je besser bezahlt die Position, desto geringer ist der Frauenanteil. Paderborn bildet hier allerdings eine erfreuliche Ausnahme: Wir sind ein fast ausschließlich weibliches Team, das von einer Professorin geleitet wird; auch die zweite Soziologie-Professur ist von einer Frau besetzt. 

Welchen Rat würden Sie Studierenden geben, die eine wissenschaftliche Karriere einschlagen möchten? Und was empfehlen Sie denen, die eine Karriere als Berater/in anstreben?

Studierenden mit Interesse an einer wissenschaftlichen Karriere empfehle ich, sich frühzeitig Gedanken über eigene Forschungsinteressen zu machen und diese schon im Studium zu verfolgen. Häufig können Abschlussarbeiten als Vorarbeiten für eine Dissertation genutzt werden. Dafür braucht man eine fundierte Grundlage an Erhebungs- und Auswertungsmethoden, die möglichst schon im Studium praktisch angewandt werden sollten. Das ist übrigens auch für zukünftige Berater*innen wichtig. Viele Unis bieten zudem Seminare und Workshops an, in denen wichtige (Zusatz-)Qualifikationen erworben werden können, zum Beispiel (wissenschaftliches) Schreiben und Präsentieren, Moderation oder Projektmanagement. 

Wer eine wissenschaftliche Karriere im Blick hat, kann sich schon während des Studiums Gedanken über die nächsten Schritte machen: Wer wäre eine gute Betreuungsperson für die Dissertation? Wo gibt es eine passende Graduiertenschule? Soll ich auf einer wissenschaftlichen Stelle promovieren oder ein Stipendium beantragen? Empfehlenswert ist auch eine Stelle als studentische Hilfskraft. Sie gibt nicht nur gute Einblicke in die wissenschaftliche Arbeit, sondern auch die Möglichkeit, Kontakte zu Betreuer*innen zu knüpfen und Informationen über frei werdende Stellen zu erhalten. 

Für diejenigen, die sich für Beratung interessieren, sind Praktika und studentische Hilfskraftstellen in Beratungsfeldern, die in Frage kommen könnten, eine gute Wahl. Am häufigsten finden sich solche Stellen in Unternehmens- und Politikberatungsfirmen. Kontakte zu diesen und auch zu Berater*innen aus anderen Beratungsfeldern ergeben sich über Berufsverbände; am wichtigsten ist hier der Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen e.V. Durch diese Kontakte lässt sich auch herausfinden, ob für einen Beratungsbereich Zusatzqualifikationen neben dem Soziologiestudium benötigt werden. Denn die Beratungsfelder sind so verschieden, dass die Zugangsvoraussetzungen für jedes Feld anders sind. 

Manche Berater*innen, die ich befragt habe, haben den „Umweg“ über eine Promotion und eine Stelle an einem wissenschaftlichen Lehrstuhl gewählt, weil sie sich auch eine wissenschaftliche Karriere vorstellen konnten. Andere haben während der Promotion festgestellt, dass sie als Berater*innen arbeiten möchten. Gerade in institutionenzentrierten Beratungsfeldern wie der Politik- und der Unternehmensberatung gilt ein Doktortitel als Ausweis von Kompetenz und bietet damit auch einen beruflichen Mehrwert.

Viele dieser Berater*innen haben die Zeit an der Hochschule genutzt, um durch ihre Dissertation Wissen über ihr zukünftiges Beratungsfeld zu erwerben, und um Zusatzqualifikationen zu erwerben. Denn viele Hochschulen bieten im Bereich der Personalentwicklung Workshops zu Themen wie Gesprächsführung, Konflikte im Team und vieles andere an, die für eine Beratungstätigkeit genutzt werden können. Einige Berater*innen machten während ihrer Promotionszeit Zusatzausbildungen in Supervision, systemischer Beratung oder anderen Beratungsformen. Diese Ausbildungen sind allerdings recht kostspielig und sollten gut auf das zukünftige Beratungsfeld abgestimmt werden. 

Studierende, die sich als Berater*innen selbstständig machen möchten, sollten sich darauf einrichten, dass die ersten drei bis vier Jahre der Selbstständigkeit mit einem hohen wirtschaftlichen Risiko und einem geringen Einkommen einhergehen. Daher ist es gut, wenn man bereits vor der Selbstständigkeit berufliche Erfahrungen und Kontakte sammeln kann. Eine Selbstständigkeit sollte also gut geplant und mit dem persönlichen Umfeld abgestimmt werden. Und es sollte recherchiert werden, welche Förderungsmöglichkeiten für Existenzgründer*innen in Anspruch genommen werden können.

Gibt es etwas, was Sie noch sagen möchten? 

Soziologie ist ein spannendes Studienfach, und sowohl die Wissenschaft als auch die Beratung bieten interessante berufliche Perspektiven. Soziologie ist ein Fach für Menschen, die sich für die unterschiedlichsten Bereiche des Lebens interessieren – von Macht und Konflikt über Geschlechtsunterschiede bis hin zum Essen oder der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Soziolog*innen sollten ein gewisses Maß an beruflicher Unsicherheit aushalten können und in der Lage sein, Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden oder sich diese manchmal auch erst selbst zu erschaffen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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Veröffentlicht am: 26. September 2017